Was war Rungholt?
Rungholt war eine bedeutende Handels- und Siedlungsstätte im heutigen Nordfriesland, die im Mittelalter durch den Deichbau und den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten florierte. Berichte aus verschiedenen Quellen deuten darauf hin, dass es sich um eine Stadt mit einer hochentwickelten Infrastruktur handelte, die wohlhabende Kaufleute und Landwirte beheimatete. Die verheerende Grote Mandränke-Flut im Jahr 1362 führte zur vollständigen Zerstörung der Stadt.
Die Grote Mandränke-Flut
Die Grote Mandränke (niederdeutsch für "Großes Ertrinken") war eine der verheerendsten Sturmfluten des Mittelalters. Sie ereignete sich am 16. Januar 1362 und wurde durch einen starken Orkan über der Nordsee verursacht.
Die Flutwelle riss zahlreiche Küstensiedlungen mit sich, zerstörte große Landstriche und tötete Schätzungen zufolge zwischen 25.000 und 100.000 Menschen. Besonders betroffen waren die nordfriesischen Uthlande sowie weite Teile der niederländischen und deutschen Nordseeküste. Rungholt, das sich auf einer Warft im nordfriesischen Wattenmeer befand, wurde von den Wassermassen vollständig zerstört. Ganze Landstriche versanken, und neue Inseln sowie das heutige Wattenmeer entstanden.
Die Grote Mandränke hatte langfristige Folgen für den Küstenschutz. Neue Deiche wurden errichtet, während andere Gebiete für immer verloren gingen. Sie gilt als Mahnung für die Gewalt der Nordsee und die Zerbrechlichkeit menschlicher Besiedlung in Küstenregionen.
Die Legenden um Rungholt
Rungholt wird nicht nur von Historikern erforscht, sondern ist auch tief in der norddeutschen Sagenwelt verwurzelt. Seit Jahrhunderten kursieren Legenden über die versunkene Stadt und die angeblichen Gründe für ihren Untergang.
Die Sage vom Hochmut und Gottes Strafe
Eine der bekanntesten Legenden besagt, dass die Bewohner Rungholts im Wohlstand lebten, aber hochmütig und gottlos wurden. Sie verspotteten Kirchenlehren, lebten im Überfluss und kümmerten sich nicht um die Warnungen der Geistlichen.
Ein Mönch, der nach Rungholt kam, um die Menschen zur Umkehr zu bewegen, wurde von betrunkenen Bewohnern verspottet und gedemütigt. In einer Version der Geschichte wurde er gezwungen, in einer Schenke Messwein zu trinken und die Sakramente in einer schmutzigen Umgebung zu vollziehen.
Als göttliche Strafe kam in der Nacht darauf eine gewaltige Sturmflut über die Stadt. Der Boden bebte, das Meer stieg rasend an, und Rungholt wurde mitsamt seinen Bewohnern ins Meer gerissen. Noch heute, so heißt es, könne man bei ruhigem Wetter die Glocken der untergegangenen Stadt unter Wasser läuten hören.
Die versunkenen Kirchenglocken
Eine weitere Legende berichtet, dass bei Ebbe manchmal leise Glockenklänge aus den Tiefen der Nordsee aufsteigen. Fischer und Seefahrer erzählten sich, dass die Glocken von Rungholt noch immer läuten, um an die Sünden der Bewohner zu erinnern.
Das Wiederauftauchen der Stadt
Nach einer anderen Überlieferung wird Rungholt eines Tages aus dem Meer wieder auferstehen. In manchen Versionen geschieht dies, wenn die Menschheit erneut in Hochmut verfällt, in anderen, wenn ein unschuldiges Kind die Glocken der versunkenen Kirche zum Klingen bringt.
Diese Legenden haben Rungholt als das „Atlantis der Nordsee“ bekannt gemacht. Zahlreiche Schriftsteller, Dichter und Historiker haben sich von diesen Geschichten inspirieren lassen.
Geographische Lage
Rungholt lag in der historischen Landschaft Uthlande, die heute zum schleswig-holsteinischen Wattenmeer gehört. Die genaue Position wird im Gebiet der Halligen und der nordfriesischen Küste vermutet, insbesondere im Watt zwischen Pellworm und Nordstrand. Durch Erosion und Sedimentverlagerungen ist das Gelände heute weitgehend überflutet, doch zahlreiche Funde haben den möglichen Standort von Rungholt eingegrenzt.
Das historische Rungholt
Historische Quellen beschreiben Rungholt als eine große und wohlhabende Stadt. Durch landwirtschaftlichen Export, insbesondere von Vieh und Getreide, entwickelte sich eine florierende Wirtschaft. Die Stadt hatte offenbar eine ausgeklügelte Infrastruktur mit Kanälen, Deichen und Schleusen, um sich gegen die Gezeiten zu schützen.
Die Menschen von Rungholt waren größtenteils friesische Bauern und Händler, die von der fruchtbaren Marschlandschaft profitierten. Die Landwirtschaft basierte auf der Viehzucht, insbesondere von Rindern, sowie dem Anbau von Getreide. Salzgewinnung spielte ebenfalls eine Rolle, da das Gebiet reiche Salzlagerstätten besaß, die für den Handel von großer Bedeutung waren.
Die Siedlung bestand aus mehreren Warften, aufgeschütteten Erdhügeln, auf denen Häuser, Speicher und andere Gebäude errichtet wurden, um sie vor Sturmfluten zu schützen. Die Bebauung umfasste massive Holz- und Ziegelbauten, darunter eine große Kirche, Wohnhäuser, Scheunen und Hafenanlagen. Wasserläufe und Kanäle durchzogen die Stadt, um den Wasserstand zu regulieren und den Handel zu erleichtern.
Der Untergang von Rungholt wurde durch mehrere Faktoren begünstigt. Zum einen führte die intensive Landwirtschaft und Salzgewinnung zur Bodenabsenkung, was das Land anfälliger für Überflutungen machte. Zudem war der Küstenschutz der Zeit nicht robust genug, um einer Sturmflut von der Heftigkeit der Grote Mandränke standzuhalten. Die Kombination aus extremen Wetterbedingungen, gestiegener Meeresspiegel und schwacher Deichstruktur führte letztlich zum Versinken der Stadt.
Der Ursprung des Namens
Der Name Rungholt könnte sich aus dem Altnordischen oder Friesischen ableiten. Mögliche Ursprünge sind:
"Run" – möglicherweise für einen Wasserlauf oder ein Gebiet am Wasser
"Holt" – für Wald oder Gehölz Zusammen könnte der Name also etwa „Wald am Wasserlauf“ oder „von Wasser umgebener Ort“ bedeuten.
Wie wurde Rungholt entdeckt?
Das Interesse an Rungholt wurde im 19. Jahrhundert durch Überlieferungen und vereinzelte Funde im Wattenmeer geweckt. Erste wissenschaftliche Untersuchungen begannen jedoch erst im 20. Jahrhundert, als Andreas Busch, ein nordfriesischer Heimatforscher, zwischen 1921 und 1938 erste bedeutende Strukturen im Watt entdeckte. Er kartierte Warften, Brunnen und Deichreste, die auf eine untergegangene Siedlung hinwiesen.
In den 1950er Jahren folgte der Archäologe Werner Haarnagel, der weitere Untersuchungen durchführte und erste Funde von Keramik, Holzresten und Fundamenten dokumentierte. Doch erst mit modernen geophysikalischen Methoden in den letzten Jahrzehnten gelang eine detaillierte Kartierung der Überreste.
Erste bedeutende Funde:
Backsteinreste, die vermutlich von der Kirche oder Wohngebäuden stammen.
Keramikscherben aus dem 14. Jahrhundert, die auf eine wohlhabende Stadt mit Handelsverbindungen hindeuten.
Hölzerne Brunnen und Deichstrukturen, die auf eine hochentwickelte Infrastruktur schließen lassen.
Spuren von Warften, künstlich aufgeschütteten Hügeln, auf denen Gebäude errichtet wurden.
Archäologische Methoden:
Satelliten- und Luftbildarchäologie: Kartierung von Strukturen unter Wasser und im Watt.
Geophysikalische Messungen: Einsatz von Bodenradar und Magnetfeldmessungen zur Lokalisierung unterirdischer Strukturen.
Tauchexpeditionen und Wattgrabungen: Untersuchung von Relikten im Meeresboden und Freilegung von Gebäuderesten.
Die Forschungen haben bestätigt, dass Rungholt eine weitläufige Stadt war, deren Überreste heute unter Wasser liegen. Die ständig wechselnden Strömungen des Wattenmeers erschweren jedoch weitere Ausgrabungen.

Kartierung der Warften, Brunnen und Deiche
Seit dem 20. Jahrhundert untersuchen Archäologen das Gebiet, in dem Rungholt gelegen haben soll. Dabei wurden mehrere Warften (künstlich aufgeschüttete Wohnhügel), Überreste von Brunnen und Deichanlagen identifiziert. Besonders bemerkenswert sind Holz- und Steinreste von Gebäuden sowie Spuren von Feldsystemen.
Die Kirche und eine der beiden Hauptsiedlungen
Ein bedeutender Fund war das mögliche Fundament einer Kirche, die sich in einer der Hauptsiedlungen befunden haben könnte. Rungholt war offenbar ein wichtiger kirchlicher Standort, was auf den Wohlstand der Bevölkerung hinweist. Archäologische Untersuchungen zeigen Reste eines Sakralbaus, möglicherweise einer großen gotischen Kirche.
Die Schleuse
Eines der herausragenden technischen Bauwerke war eine Schleuse, die als Teil eines ausgeklügelten Entwässerungssystems diente. Ähnlich wie in den späteren niederländischen Poldern könnte diese Anlage für den Schutz der Siedlung vor Sturmfluten verwendet worden sein.
Keramik
Unter den zahlreichen Funden sind Keramikfragmente von besonderem Interesse. Diese stammen aus dem 14. Jahrhundert und zeigen, dass Rungholt in Handelsnetzwerke eingebunden war. Hochwertige Töpferwaren deuten auf Verbindungen zu den Hanse-Städten und den Niederlanden hin.
Rekonstruktion
Durch geophysikalische Untersuchungen und moderne 3D-Modellierungen konnten Wissenschaftler eine Rekonstruktion von Rungholt erstellen. Diese zeigt die Stadt als eine dichte, von Kanälen durchzogene Siedlung mit Marktplätzen, Wohnhäusern, einer Kirche und landwirtschaftlichen Anlagen.

Die Legende über Rungholt
Die Sage besagt, dass die Bewohner Rungholts in ihrem Wohlstand überheblich wurden und durch ihre Sünden den Zorn Gottes auf sich zogen. In einer Version wird erzählt, dass die Bewohner einen betrunkenen Priester verspotteten und sich über kirchliche Traditionen lustig machten. Als Strafe ließ Gott eine gewaltige Sturmflut kommen, die die gesamte Stadt ins Meer riss. Der Mythos wurde durch zahlreiche literarische Werke weitergetragen.
Ausstellung und Rezeption
Die Faszination für Rungholt ist bis heute ungebrochen. Zahlreiche Museen, darunter das NordseeMuseum in Husum, präsentieren Funde und Rekonstruktionen. Auch in der Literatur und Kunst taucht das Thema immer wieder auf. Berühmte Werke wie das Gedicht „Trutz, Blanke Hans“ von Detlev von Liliencron haben Rungholt als das „deutsche Atlantis“ in das kulturelle Gedächtnis eingebrannt.
Rungholt bleibt ein faszinierendes Mysterium. Während archäologische Forschungen weiterlaufen, wird die Stadt weiterhin Legenden und Spekulationen anregen. Ob als historischer Ort oder als warnendes Beispiel für die Naturgewalten – Rungholt bleibt ein Symbol für die Vergänglichkeit menschlicher Werke.
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